3 Wochen später

Morro! („Hallo und Guten Morgen“ auf Herero)

Heute bin ich schon 3 Wochen hier. Ich bin froh, dass mein Aufenthalt hier insgesamt 4 Wochen dauert, denn nach 2 Wochen habe ich eigentlich noch gar nichts verstanden. Ich bin mit großen Augen und offenem Munde durch die Gegend gelaufen, habe aber ganz viele Zusammenhänge nicht kapiert. Erst jetzt habe ich das Gefühl einen kleinen Einblick in das Leben und Handeln der Bevölkerung zu bekommen. Mittlerweile bin ich im Dorf bekannt und werde von allen nett gegrüßt. Dass die Dorfbewohner mich anfangs ignoriert haben, lag daran, dass sie einfach zu schüchtern waren, um mich anzusprechen. Durch die Kinder wurde ich langsam in die Dorfgemeinschaft eingeführt und fühle mich hier mittlerweile richtig wohl. Letzte Woche habe ich am Englischunterricht einer fünften Klasse teilgenommen. Obwohl Englisch in Namibia seit 1990 offizielle Amtssprache ist, spricht es in dieser Region kaum jemand. Die Verständigung hier findet auf Otjiherero oder Oshiwambo statt. Das ist leider auch für mich ziemlich schwierig, da die Kinder zwischen 4 und 17 Jahre alt sind und meine Spiele und Ideen häufig nicht verstehen. Ab der ersten Klasse lernen die Kinder zwar englisch, aber die Aussprache und vor allem das Schreiben ist eine echt Katastrophe.

Vorgestern haben wir eine Wanderung auf einen Berg mit anschließendem Picknick veranstaltet. Ich habe viele tolle Dinge dafür eingekauft: Fruchtsäfte, Kekse, Chips, Gummibärchen und Luftballons. Der Aufstieg gestaltete sich für mich als ausgesprochen anstrengend, obwohl ich selbstverständlich die mit Abstand besten Schuhe getragen habe. Es haben mich mehr als 40 Kinder begleitet, die leichtfüßig und zum Teil barfuß über spitze Steine und fiese Dornen sprangen, während ich mit meinen dicken Wanderschuhen wie eine Dampfwalze versuchte mitzukommen. Oben auf dem Berg gibt es einen großen Felsen. Aus Angst davor, die Kinder könnten abrutschen und in die Tiefe stürzen, habe ich es ausdrücklich verboten auf diesen Felsen zu klettern. Die Realität sah dann leider ganz anders aus. Während ich mich mit hochrotem Kopf und kaum noch Puste nach oben kämpfte, war die gesamte Kinderschar bereits oben auf dem Felsen versammelt und spornte mich mit Pfiffen und „Silla, Silla“ Rufen an, nun endlich da oben anzukommen. Rechts und links hatte ich jeweils ein Kind an der Hand, die mich zusätzlich noch nach oben zogen. Ich war schon froh, dass mich niemand zusätzlich von hinten anschob ? Was für eine Schmach …

Dummerweise verriet ich den Kindern auch noch mein wahres Alter, woraufhin ich Gekicher und „Grandma“ Sprüche zu hören bekam. Kinder können echt grausam sein!!! Naja – als nächstes bauten wir unser „Buffet“ auf und ich vermutete schon eine Riesenschlacht, bevor es überhaupt „eröffnet“ wurde. Mit Disziplin und Anstand ist es hier leider nicht so weit her. Jeder ist ein Einzelkämpfer. Das nervt manchmal ganz gewaltig und es gelingt mir nicht immer das Chaos, wenn es um Sweets, Schuhe oder T-Shirts geht, in den Griff zu bekommen. Glücklicherweise klappte es diesmal. Vorher haben wir gesungen und danach habe ich jedem ein Blatt Papier gegeben und hatte auch Bunt- und Filzstifte dabei. Ich habe die größeren Kinder gebeten, mir ihre Wünsche und Ziele für die Zukunft aufzuschreiben. Die Kleineren sollten nur ihren Namen schreiben und ein Bild malen. Das war herrlich – alle waren voll bei der Sache und malten und schrieben und ich konnte einfach mal den Blick und die Landschaft genießen. Als ich die Blätter anschließend wieder eingesammelt habe, bin ich fast vom Berg gefallen. Da stand nicht, was sie einmal werden möchten oder wie sie sich Ihre Zukunft vorstellten, sondern: „Please Miss Silla, I need Soccer shoes Size 8“, oder „give me a T-Shirt from Bayern München“. Das ist zum Beispiel eine Sache, die ich hier gelernt habe. Hier denkt keiner langfristig, sondern nur im hier und jetzt und maximal bis morgen. Die Kinder können nichts dafür, denn die Erwachsenen leben es ihnen vor. Auf dem Bio-Bauernhof von Gisela und Andreas wächst fast alles. Gisela baut alles Mögliche an und hat damit auch schon großen Erfolg gehabt. Ungefähr 150 Kräuter, Früchte und Gemüse wachsen hier. Es ist alles eine Frage der Bewässerung und Pflege der Pflanzen.

Verschiedene Hilfsprojekte wurden hier bereits gestartet und nach 4 Jahren wieder eingestellt. Der Staat bewilligt diese 4 Jahre nur einmalig, danach sollte die einheimische Bevölkerung in der Lage sein, sich selbst darum zu kümmern. Leider ohne Erfolg. Es werden Tütensuppen und Corned Beef in Dosen gekauft. Vielen Kindern sieht man die Mangelernährung an, denn sie sind für ihr Alter viel zu klein. Gisela kocht täglich frisch und sehr gesund. Es ist großartig zu sehen, wie sehr man den Kindern damit helfen kann.

Mit der entsprechenden Bildung der Kinder und einer Förderung auf dem Gebiet Ackerbau und Landwirtschaft können auch hier langfristig Erfolge erzielt werden. Den Erwachsenen kann man dies leider nicht mehr beibringen. Sie hüten weiter ihre Ziegen und Rinder, denn von dessen Bestand hängt das Ansehen in der Bevölkerung ab. Die Herero sind ein sehr stolzes Volk, die an ihren alten Traditionen festhalten. Man wohnt in Lehmhütten, aber jeder hat ein eigenes Handy. Man kann das alles nicht begreifen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. T.i.A. (This is Africa)

Ein weiteres großes Problem stellt der Umwelt- und Tierschutz dar. Aber dazu mehr beim nächsten Mal. Jetzt ist Mittagessen angesagt und danach gehe ich mit den Kids ins Dorf und besuche deren Familien. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Fotos folgen ?

Silke Fischer