Weihnachten im Waisenhaus

Liebe Freunde und Förderer, liebe Mitglieder und Besucher unseres Kinder-Projektes in Okanguati!

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, Mitte des Jahres einen kurzen Zwischenbericht zu verfassen, aber das ist nun viele Wochen vorbei, in denen wir, wie noch immer, unter Arbeits- und somit Entlastungskräftemangel zu leiden hatten.

Zudem hatten wir in diesem Jahr viel lieben Besuch, der auch einen großen Teil unserer Zeit in Anspruch genommen hat, uns aber in anderer Hinsicht eine große Hilfe war.

Berichten möchte ich über den Stand der Dinge.

Die erste und immer währende Aufgabe, die Menschen um uns herum mit frischem, sauberem Trinkwasser zu versorgen, ist immer noch von großer Priorität, denn die große Investition von mehreren Millionen N$ seitens der lokalen Führung ist nun letztlich komplett in den Sand gesetzt und das Dorf hat nach wie vor nur stunden- oder tageweise fließendes Wasser zur Verfügung, meistens aber nicht. So repariert und wechselt Andreas in regelmäßigem Rhythmus den Wasserhahn am Tor, denn es gibt immer Grobmotoriker, die es schaffen, ihn zu demolieren, selbst mit allen möglichen kreativen Sicherheitsvorrichtungen.

Die Anzahl der von uns betreuten Kinder aus schlechtesten sozialen Lebensbedingungen und Waisen hat sich durch Umzug von 8 Kindern von 85 auf 77 verringert. Durchschnittlich 20-30 kommen täglich zum Essen, aber nach Durchsicht der Essenslisten kommen alle irgendwann doch, so daß ich niemanden von der Liste streichen will. Seit die Regierung den Notstand ausgerufen hat, bekommt jede Familie in Abständen eine Lebensmittelhilfe, so daß die Dringlichkeit, zu uns zum Essen zu kommen, nicht gesehen wird. Mir geht es neben der Energiezufuhr und Sättigung in erster Linie auch darum, reichlich Gemüse anzubieten, dazu Eier, Fleisch, Fisch u.a., um den Bedarf eines Heranwachsenden zu decken. Bis zum Jahresende werde ich seit April 2007 mehr als 82.000 Mahlzeiten gekocht haben. Auch die einheimischen Helfer und die Nachbarskinder dürfen am Mittagstisch teilnehmen nachdem alle Listen- Kinder satt sind.

Die Disziplin beim Essen ist nach langem Training nun meist hervorragend: keine Prügeleien mehr zwischen Himba, Ovambo und Zemba. Vor dem Essen werden die Hände gewaschen, alle stellen sich der Größe nach an, man sitzt am Tisch und ißt mit dem Löffel, ohne zu murren, und spült den Teller dann ab. Also eine erfreuliche Entwicklung.

Durch die Anreize, bei guten Lernergebnissen eine relativ große Belohnung zu bekommen, haben wir in diesem Jahr bereits 16 Förderkinder, die im ersten Drittel ihrer Klasse rangieren. Das ist besonders anerkennenswert, weil die meisten von Hause aus nicht die Voraussetzungen haben, ordentlich lernen zu können. Sie bekommen eine Prämie in Form eines Geldscheines für ein A = 1, im Dezember hatten vier Kinder ein A in Mathematik, die dafür jeder ein Fahrrad bekamen. Diese guten Schüler bekommen im Januar die Schulkleidung + Schuhe + Unterwäsche, Klasse 8-10 das Schulgeld, bei freien Plätzen die Internatsgebühren, den Schulbedarf an Heften, Stiften etc. und alle 8 Wochen eine Körperpflegekollektion. Das reizt schon alle anderen, auch in den Genuß zu kommen. Einige weniger gute Schüler waren allerdings in den Ferien hier helfen, um ihre Kosten für den letzten term selbst zu bestreiten. Das war sehr löblich, aber auch für beide Seiten zeitweise sehr anstrengend. Aber den Willen zu arbeiten wollen wir anerkennen und fördern.

Auch bzgl. des Waisenhauses konnten wir einige Probleme lösen oder haben sie zu einem Ende gebracht. Den umstrittenen Zaunverlauf, dessen Veränderung wir weder nachvollziehen noch akzeptieren konnten und wollten, haben wir so, wie die beiden Zäune vorher entsprechend den Vermessungsunterlagen angelegt waren, wieder bebaut. Das Gelände ist nun dicht und mit Stacheldraht gesichert und mit einem ordentlichen Tor verschlossen. Hurra. Die Dorfgemeinschaft hat sich nach und nach daran gewöhnt, nicht mehr diagonal zur Klinik gehen zu können. Allerdings wurden wir vor ca. einem Monat nochmals ins Regional Office einbestellt, wo wir nur kurz mündlich und schriftlich nochmals unsere Position dargelegt haben.

Nach langem Suchen, Verhandeln und Warten hat sich eine Speditionsfirma aus Walfishbay gefunden, die großherzig den Transport zum Selbstkostenpreis (ohne Gewinn) für uns übernommen hat. So konnte auf einen Schlag alles, was in Windhoek eingelagert war, Kühlgeräte, Waschmaschine, 6flammiger Herd, Spülmaschine etc., sämtliche Möbel, Elektroinstallationsmaterial, Lampen, Sanitärausrüstung und die Küchenausstattung , nach Okanguati gebracht werden. Es war eine große Aktion und wir können allen Beteiligten auf diesem Wege nur herzlichst danken. Ohne Decken und Schaumgummi 100% alles heil zu transportieren, war schon eine Leistung. Ganz wohl war dem Fahrer auf dem Weg zu uns sicher nicht. Umso glücklicher waren wir, als alles ordentlich abgeladen und eingelagert war.

Dann hieß es ganz schnell die Fenster zu verschweißen, so daß es von außen nun nicht mehr möglich ist, in das Gebäude einzudringen. Seine ersten Schweißversuche haben Tangeni doch heißes Lehrgeld gekostet, meinte er doch, ohne Helm besser sehen und somit schweißen zu können. Eine Woche hatte er mit den Folgen zu tun. Aber es ist letztlich ordentlich geworden. Beides.

Die Ferienkinder sind auf dem Waisenhausgelände fleißig gewesen und nun blitzt es und selbst außen ist ein breiter sauberer Randstreifen vor dem Zaun. Zwei durften innen arbeiten und den Fußboden zum Streichen vorbereiten. Sehr gern hätten wir noch Fliesen gekauft, aber das gab die Kasse nicht mehr her. Denn noch ist der Elektriker nicht bezahlt• Normalerweise kostet die Anfahrt zu uns, wer auch immer angefragt ist, zwischen 35 und 39tausend N$ quasi Schmerzensgeld, denn zu uns in die ungewisse Ferne zu kommen, ist nicht sehr attraktiv. ( Das ist auch der Grund, weswegen unser schönes Windrad sich zwar dreht, aber wegen eines Defektes leider kein Wasser fördert. Die Reparatur selbst wäre der kleinere Kostenfaktor.)

Seit nunmehr zwei Jahren ist auch ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit die Unterstützung der Primary School in Omuhonga. Das Dilemma habe ich ja im letzten Rundbrief erläutert und es hat sich nicht geändert. Nach einer ausführlichen Befragung des Lehrkörpers haben wir dann auch erfahren, wie die Kinder dort schlafen müssen, da für die weit entfernt wohnenden Kinder, das macht 95% der Schüler aus, weder Betten noch Decken vorhanden sind. So liegen die Kinder auf der nackten Erde, auch bei 2 Grad C, auch im Sommer mit Schlangen, Skorpionen, Spinnen, Scolopendra und anderem beißenden und stechenden Getier. Dank TUI konnten wir bis jetzt mehr als 100 Schlafsäcke übergeben und noch 25 Decken auftreiben.

Wie und wo die Kinder allerdings in der Regenzeit, die regulär im Januar einsetzt und bis Mai dauern kann, schlafen werden, ist eine Frage, die, wenn man die Situation kennt, schon extrem aufwühlt. Wir sind im Gespräch mit dem Prinzipal, dort schnellstens zwei regendichte, einfache Gebäude aufzustellen für 70 Jungen und 50 Mädchen. Selbst die kleinste und billigste Variante kostet um die 700.000 N$, über die wir nicht im entferntesten verfügen. Zudem ist auf dem Waisenhausgelände eine Unterkunft für Volontäre sowie ein Duschhaus erforderlich, womit wir in naher Zukunft beginnen werden. Zunächst, wie immer, Steine herzustellen aus Flußsand und Zement. Ein Helfer ist für diese Aufgabe bereits aus dem Ovamboland angereist.

In dem Zusammenhang ein Wort zum Spendenaufkommen: Sehr erfreulich ist die Tatsache, daß wir in diesem und im vorigen Jahr mehr Geld zur Verfügung hatten als jemals vorher. Gleichzeitig sind jedoch auch die Preise ins Unermeßliche gestiegen. Ein Generator, der hier aufgrund der schlechten Qualität de facto ein Wegwerfartikel ist, kostet heute anstatt 3000 bereits 6-8000 N$. Die Lebensmittelpreise haben sich ebenfalls verdoppelt bis verdreifacht. Um all die täglichen Aufgaben und Verpflichtungen erfüllen zu können, benötigen wir aktuell pro Monat zwischen 3000 und 4000 Euro. Alles, was darüber hinaus auf uns zukommt an Kosten, kann nur ermöglicht werden, wenn die nötigen finanziellen Mittel vorhanden sind. So ist sicher zu verstehen, daß das Waisenhaus ein enormer Kraftakt für uns ist und nur successive fertiggestellt werden kann.

Da aber „Masse oder Dringlichkeit“ vor Wunschdenken rangiert, sehe ich die beiden Gebäude für die Schule jetzt als vorrangig an bzw. wäre es notwendig, zusätzliche Mittel aufzubringen.

Auch das Nahrungsmittelproblem ist in der Omuhonga-Schule nach wie vor extrem. Selbst die einzige Pausenversorgung wird mit 14 Tagen Verspätung seitens der Behörde an die Schule ausgeliefert. Deswegen müssen wir monatlich mehr als 10.000 N$ in diesen Posten investieren, da ansonsten der Schulbetrieb eingestellt werden müßte. So sind die Tatsachen.

Die Freude dieser Kinder über das, was sie von uns an Hilfe erhalten, wird hoffentlich zum Ende des Jahres in einem weiteren Video zu sehen sein. Ein erstes 2min-Video und eine Darstellung unserer Arbeit in 7min. kann man bereits auf facebook und youtube sehen.

Vor drei Tagen konnten wir auch zwei Kindern den ersehnten Wunsch nach einem Schulbesuch erfüllen. Zwei kleine Jungen waren in den Ferien hier und wollten sich die 55N$ für die Unkosten erarbeiten, die ihnen die Eltern nicht geben konnten. Nur durch Zufall bekamen wir davon Kenntnis. Mit dem Notwendigsten ausgestattet konnten wir sie in einer Blitzaktion in die Schule bringen. Der Direktor Mr. Kakuva war, wie immer, sehr kooperativ, denn eigentlich beginnt das Schuljahr im Januar. Nun sitzen sie zumindest glücklich in einer Klasse und fangen dann im nächsten Jahr richtig an.

Das größte Problem für ist nach wie vor die Arbeitskräftesituation. Es ist äußerst unbefriedigend, daß wir beide den ganzen Tag einfachste Arbeiten machen müssen, die eigentlich von Hilfspersonal erledigt werden müßten oder könnten. Beklagenswert ist nicht nur die fehlende Bereitschaft, überhaupt eine Beschäftigung anzunehmen; auch die Sorgfalt ist absolut mangelhaft. Wieso, weshalb, warum will ich nicht ventilieren. Aber es geht wertvolle Zeit für uns beide verloren, die sinnvoll genutzt werden könnte, denn im Strudel der täglichen Kleinarbeit und Kleinpflichten, die sich zu 12-13 Stunden an jedem der 7 Tage addieren, geht Kreativität, Kommunikation und Kraft sine effectu verloren. Selbst wenn Aufgaben übertragen werden, muß in kurzen Abständen kontrolliert werden, um ein Desaster zu verhüten, um sich nicht wieder eingestehen zu müssen, daß man es doch lieber hätte selber machen sollen.

Somit ist auch die Personalfrage für das Waisenhaus, selbst die Kinderküche darin, nicht im Entferntesten geklärt.

Mit dem Thema „Volontäre“ habe ich wieder einmal eine ernüchternde Erfahrung gemacht. Unter Vorgabe, hier engagiert helfen zu wollen, hat sich ein Student hier eingenistet, der quasi den ganzen Tag unsichtbar war und sich nicht, wie verabredet, eingebracht hat. Es war wie „Warten auf Godot“• Ich möchte nochmals darum bitten zu verstehen, daß wir hier nur Volontäre akzeptieren können, die wissen, was Arbeit ist, wenigstens über die allereinfachsten Grundkenntnisse handwerklicher, praktischer oder ganz normaler Arbeiten verfügen ODER sich in förderlicher Weise mit den Kindern beschäftigen wollen. Wir brauchen keine Ratschlaggeber oder Ideenträger, die nicht bereit sind, an der Umsetzung oder Realisierung mitzuwirken. Es war das erste mal, daß ich jemand gebeten habe, vorzeitig zu gehen.

Zu unserer großen Freude hat es nach mehr als 200 Tagen Trockenheit vor ein paar Tagen 28mm geregnet und kurz danach noch einen kleinen Nachschlag. So konnten wir Arbeiten erledigen, die seit Monaten auf Erledigung warten, wie z.B. dieser Brief. Wir hoffen natürlich auf mehr, um wieder einen erfolgreichen Gemüseanbau im Januar starten zu können. Der Winteranbau hat sehr erfreuliche Resultate gezeigt: Mangold, Kohlrüben, Tomaten und Paprika – eine schöne Bereicherung für die Küche. Einmal in der Woche kommt derzeit ein Jungunternehmer aus Opuwo hier mit herrlichem Weißkohl, Zwiebeln, Tomaten u.a. vorbei, und er bringt auch gleich eine Ladung in die Schule nach Omuhonga, so daß die Kinder auch in den Genuß von frischem Gemüse kommen.

Wie im Re: schon gesagt, werden wir in diesem Jahr Weihnachten im Waisenhaus feiern können. In dem schönen, neuen Backofen werden am 24.12., wie immer Kekse gebacken und Blechkuchen. Die große Bescherung ist dann am 1.Feiertag. Wenn alles so klappt wie es bisher immer war, bin ich ganz sicher, daß es für die Kinder wieder ein unvergeßlicher Tag wird. Wir möchten allen, die uns immer wieder helfen zu helfen von ganzem Herzen danken. Dem Studenten, der 10 Euro abzweigt, den Dauerspendern mit ihren monatlichen Beiträgen, den Geburtstagskindern, den Kränzchenrunden, den Kirchengemeinden und den großherzigen Einmalspendern , aber ganz besonders den Kindern, die ganze Schulen aufgemischt und aktiviert haben, um den Kindern in Okanguati und Omuhonga zu helfen.

Für alle Sach- und Geldspenden, für alle Aktivitäten und Hilfen in jedweder Form unser aller-allerherzlichstes Dankeschön an Euch alle. Wir haben es, Dank Euch, zehn Jahre geschafft, mit Höhen und Tiefen, nicht aufgeben zu müssen.

Wir wünschen Euch allen ein verdientermaßen absolut ungetrübtes, schönes erholsames Weihnachtsfest in der Familie. Das ist uns aufgrund der vielen kleinen und großen Pflichten leider nicht vergönnt, aber wir wissen, daß mancher an uns auch an diesem Tag denken wird. Die Gewißheit, daß Ihr Euch auch unseres Anliegens annehmt, hilft uns, das Negative zu ertragen und uns am kleinsten Fortgang zu erfreuen, was wieder Kraft gibt für den nächsten Tag.

Tausend Dank für alles, was Ihr für die Kinder getan habt und ein gutes, sorgenarmes Neues Jahr 2015 wünschen Euch in großer Dankbarkeit

Eure Gisela und Andreas in Okanguati